Bei H.E.L.P., der 4. Ausgabe der biennalen Tanz- und Performanceplattform WILDE TENDENZEN, zeigen Künstler aus ‪Amsterdam‬, ‪Berlin‬, ‪Köln‬ und ‪München‬ Arbeiten, die sich mit globalen Krisen und Problemen auseinander setzen.
Die Plattform WILDE TENDENZEN gibt Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, zu einem Thema Stellung zu beziehen, sie widmet sich Tabuthemen und Specials zu sozialen „Brennpunkten".
Thematisiert werden Krieg und Frieden aus der Nähe und der Ferne, aber auch Folter und Waffenhandel spielen eine Rolle.
Manfred Kröll, Choreograf, Veranstalter und Tänzer aus München hat dazu Künstler eingeladen, die sich in ihren unterschiedlichen Arbeiten mit diesen schwierigen Themen beschäftigen.

Vom 15. bis 19. Juli werden die Arbeiten im i-camp aufgeführt.

kultamour war mit dabei am 15. Juli, dem Auftakt von H.E.L.P., was übrigens für " Human Earth Love People" steht.
Den Anfang machte die Tanzperformance Zerstörung für Anfänger 1 reloaded der Syrerin Mey Seifan.
Die in München lebende Künstlerin ist Gründerin des Syrian Dreams Project. Ein Projekt, das sich auf interaktive Art und Weise mit Albträumen der Syrer während der Revolution beschäftigt, sie sammelt und archiviert. Auf der Grundlage dieses "Traumarchivs" entstand die Idee, die Träume choreografisch zu untersuchen und darzustellen.
Performt werden schrille Szenen, die man vielleicht nicht ganz eindeutig benennen kann. Eine Schießerei? Den Geburtsprozess eines Reisepasses? Ein Mensch, der sich auf einem Minenfeld bewegt? Nebel, Rauch, Luftballons...manchmal platzen sie. Im Hintergrund sieht man auf einer schwarzen Wand Umrisse von Menschen, neue Umrisse werden dazugemalt. Umrisse von toten Menschen? Ein Wirrwar aus Strichen und Kreisen und Gekritzel. Die surrealen Szenen sind aufwühlend, anstrengend und wecken (wie später im Publikumsgespräch festgestellt wird) die unterschiedlichsten Assoziationen beim Zuschauer. Wie zum Beispiel die Pilotenähnliche Figur mit dem pinken Tuch und den Luftballons auf dem Rücken. Sie dreht sich um sich selbst, unaufhörlich. Ist die Figur positiv oder negativ? Jeder kann sich "sein eigenes Märchen" daraus basteln.

Das Ausmaß der Kriegszustände in Syrien ist für uns im Westen nur schwer greifbar. Medienberichte prasseln auf uns ein und gleichzeitig prallen sie wieder ab. Mey Seifan zeichnet mit ihrer Perfomance chaotisch, surreal und aufwühlend ein Bild des Unterbewusstseins der Menschen in Syrien.
Die Sinnlosigkeit und der Teufelskreis eines solchen Krieges werden deutlich, als gegen Ende einer der Performer immer wieder und wieder versucht die Wand mit den Umrissen und Kritzeleien abzudecken. Mit einem Klebeband. Es hält nicht. Es will einfach nicht haften und verdecken, so sehr er es auch versucht.Irgendwas bleibt immer übrig, ganz gleich ob es sichtbar oder unsichtbar ist.
Alles was am Ende bleibt ist Sprachlosigkeit. Eine Sprachlosigkeit, der Mey Seifan ein Gesicht gegeben hat.

Zerstörung für Anfänger 1 reloaded© Mey Seifan
© Mey Seifan

Seifans Stück wurde 2013 schon einmal aufgeführt. Ihre Arbeit ist aber nicht die gleiche geblieben. Sie selbst bezeichnet es als "work in progress", eine Perfomance die sich also mit den Träumen und den Geschehnissen immer wieder verändert und deshalb unterschiedlich aufgeführt wird.

Die syrische Choreografin hat, nach langjähriger Ballettausbildung in Damaskus, ihr Tanzstudium an der
Frankfurter Hochschule für Darstellende Kunst 2004 absolviert. Seitdem arbeitete sie sowohl in Deutschland
als auch in Syrien, wo sie die Tanzinstitution TANWEEN gründete und die “Damascus Contemporary Dance
Platform” ins Leben rief. 2011 verließ sie Syrien aus politischen Gründen und lebt seitdem in München.

Nach einer Pause ging es mit A Journey Into von Lucas Hillen (Amsterdam) weiter. Hier ist der Zuschauer mittendrin im Geschehen. Eine Reise mit Wasser, Wind, Licht und Schatten und vielleicht auch zu sich selbst. Dinge, die jeder Mensch jeden Tag um sich herum hat, werden plötzlich viel bewusster erfahrbar. Durch gespiegeltes Licht und Nebel ergeben sich geniale Bilder, schon fast Traumbilder. 
Irgendwann leuchtet im Spiegel dann ein Pfeil auf und das Publikum muss unter der Tribüne durch einen dunklen Gang auf allen vieren kriechen. Nur Manchmal blinkt ein Licht auf, sodass man sich leicht hilflos, blind und auf der Flucht fühlt.Dann findet man sich aber doch in einem neuen Raum wieder und das Spiel nimmt mit Wind und Schatten seinen Lauf.

Aufgewachsen in Berlin, Hamburg und München, begann Lucas Hillen 2006 in Großbritannien (Wales)
Fotojournalismus zu studieren. Dort entstand das Künstlerkollektiv "coca braun", aus dem unter anderem
das Fotomagazin PINGO, sowie die Theatergruppe “my sisters' collected fantasies” hervorging.
Seit einigen Jahren stellt er fest, dass jegliche Erfahrung den Körpersinnen zu Grunde liegt. Inner- und
außerhalb seiner Arbeit , versucht er sich von unnötigem Denken zu befreien und konzentriert sich dabei
auf Naturerscheinungen.

A Journey Into ©Rens Spanjaard

Ein kurzer Ausblick auf das Programm in den nächsten zwei Tagen:
18. / 19. Juli

- Die Auslöschung – Tanzsolo von Yvonne Pouget // Heimspiel München
- POP – Performance des Theaterkollektivs My sisters' collected Fantasies // Gastspiel Amsterdam
- Syrian Dreams Project: Cocoon – Ein Film von Mey Seifan / Jens Junker // Heimspiel München
- Continuum – Tanzperformance von Bianca Mendonça // Gastspiel Köln
- deal in the desert – Tanzperformance von Ini Dill / die elektroschuhe // Gastspiel Berlin

Wilde Tendenzen 4: H.E.L.P.
Wann: 15. - 19. Juli 2015 / 20:30 Uhr | TANZ- UND PERFORMANCE-PLATTFORM (17.7. spielfrei)
Wo: i-camp / neues theater münchen, Entenbachstr. 37, 81541 München
Tickets: 16,- € / ermäßigt: 10,- €


Bestellung unter: tickets@i-camp.de